Masken des Widerstands

In den weltweiten Kämpfen für eine bessere Welt ist eine Vielheit von Masken an die Stelle der Revolutionäre der Vergangenheit getreten. Tom Waibel untersucht in seinem Buch die Verbindung von Spiritualität und Politik im indigenen Widerstand am Beispiel der maskierten aufständischen Zapatistas in Mexiko und der Maskierungen der Maya im Hochland von Guatemala. In den sozialen Auseinandersetzungen der Gegenwart haben diese Bewegungen eine große moralische Bedeutung erlangt, da ihre politischen Forderungen auf die dringend notwendige Anerkennung der Andersheit der Anderen abzielen. Der indigene Anspruch auf die Akzeptanz von Vielfalt, Differenz und Würde stützt sich auf soziale, ökonomische und symbolische Formen von Sinn, Wert und Bedeutung, die sich der kapitalistischen Ausbeutung widersetzen. Doch die philosophische Analyse von Geschichte und Gegenwart der indigenen Widerstandsstrategien macht noch einen weiteren Aspekt sichtbar: ohne Verständnis für die Anderen können wir uns selbst nicht begreifen.

Tom Waibel, Masken des Widerstands. Spiritualität und Politik in Mesoamerika, Wien: Löcker 2022, 504 Seiten, ISBN 978-3-85409-611-5.  

The Other

Filmgeschichte ist auch die Geschichte einer nicht enden wollenden Suche nach der/dem/den Anderen. Und in dieser Suche geht es nicht so sehr um Held*innen oder Stars, als vielmehr um Outlaws und Verlierer*innen: Die Anderen des Kinos sind Freaks und Fremde, Misfits und Monster, Kinder, Frauen, Vamps, Maschinenwesen, Tiere, Tote und Untote... Im Anderen lauern Gefahren und locken Abenteuer, und die Leinwand lädt dazu ein, in die Träume und Albträume der Anderen einzutauchen. Wenn wir dieser/m Anderen in der schützenden Dunkelheit des Kinos näherkommen, kann es passieren, dass wir uns ein Stück weit selbst fremd werden. Mit diesem Collection on Screen widmen wir uns Werken, denen ein erfrischendes Begehren nach neuartigen filmischen Zugängen zu der/den/dem Anderen innewohnt. Damit versteht sich The Other als eine Einladung, die Festschreibungen des Ich zugunsten eines Anders-Werdens aufs Spiel zu setzen.

Ich ist ein/e Andere/r/s - Filmreihe im Österreichischen Filmmuseum kuratiert von Elisabeth Streit und Tom Waibel, vom 3. März bis 1. Mai 2023.

Identitäten

Mit der Eroberung der Körper der (indigenen) Anderen hat die koloniale Indienstnahme der Welt seit dem beginnenden 16. Jahrhundert einen Prozess der Mestizisierung in Gang gebracht, in dem bis in unsere Gegenwart biologische und epistemische Zuordnungen durchmischt sowie kulturelle und soziale Zuschreibungen vermischt werden. In diesem Vortrag wird am Beispiel der Kolonialge­schichte Neuspaniens und der Dekoloniali­sierungsdynamik in Mexiko das Werden des Begriffs der Mestizisierung untersucht, in dessen biopolitischer Vermischung von Körpern und Kategorien charakteristische Denk­ und Handlungsmuster sichtbar werden, die in der gesamten weltweiten kolonialen Ausbreitung anzutreffen sind. Von Marina Malinche bis Rosario Castellanos und von Gabriela Mistral bis Gloria Anzaldúa macht die Konstruktion der (mestizischen) Anderen eine schmerzhafte Verwundung erfahrbar, die stets erneut auf den irreduziblen Abstand zwischen ›ich‹ und ›sich‹ verweist. Sind wir gezwungen der/den/dem Anderen einen Sinn zu geben, um uns selbst zu begreifen?

Vortrag von Tom Waibel im Rahmen der Reihe Szenen der Kritik. Zwischen postkolonialer, medienästhetischer und politischer Philosophie an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder).

Ich hinke immer hinter mir her

Mara Mattuschka und die permanente performative Überschreitung

Tom Waibel in: Mara Mattuschka, Wien: Filmarchiv Austria 2019

„Ich hinke immer hinter mir her“, erklärt Mara Mattuschka in einem Oral History Interview, in dem sie mehr als drei Stunden lang Auskunft über ihr Leben gibt und Überlegungen zu ihrer Arbeit anstellt, „denn ich bin im Kopf immer viel weiter, weil es so viele Widerstände gibt.“ (Mattuschka 2012) Das Selbstzeugnis mag überraschen, denn kaum etwas charakterisiert den vielfältigen künstlerischen Ausdruck Mattuschkas besser, als ihr unbeschwerter und zugleich abgründiger Humor, mit dem sie in schier unerschöpflicher spielerischer Neugier die Brüche und Verwerfungen des menschlichen Begehrens auslotet, und sich dabei in so unterschiedlichen Medien wie Malerei, Film und Performance gleichermaßen lustvoll und präzise artikuliert. Mittels Exzess und Exzentrik, Übertreibung und Überschreitung lässt sie Widerstände und Grenzen scheinbar mühelos hinter sich, und dringt in die paradoxen Topologien einer sich selbst „bewussten Unschuld“ vor:

Denkende Hände

 

Überlegungen zu einer graphischen Korrespondenz von Tom Waibel, in: Berkmann und Neunteufel, Hände. Eine druckgraphische Korrespondenz, Wien: Edition Kunstmarke 2014.

Es begab sich anlässlich eines Besuchs von Marcus Berkmann bei Eric Neunteufel in dessen Graphikwerkstatt in Wien, dass der lebhafte Strom des gemeinsamen Gesprächs in ein breites zwischenmenschliches Einverständnis mündete. 

»Excellent! Annotate More!«

Die Amos Vogel Library im Österreichischen Filmmuseum

Elisabeth Streit und Tom Waibel, in: Zeitschrift für Museum und Bildung, Nr. 86/87, Berlin: LIT Verlag 2019.

Bei der titelgebenden Aufforderung handelt es sich um eine handschriftliche Bemerkung von Amos Vogel in Michael Sorkins Untersuchung zur Veränderung des öffentlichen Raums (vgl. Sorkin 1994). Sie richtet sich aller Wahrscheinlichkeit nach an den Autor dieses Hinweises, also an Amos Vogel selbst. Zahlreiche Bücher aus seiner Privatbibliothek sind mit vergleichbaren Annotaten versehen, die auf eine durchweg erstaunliche Art von Lektüre verweisen: Hier tritt ein Leser in einen zugleich intimen und obsessiven Austausch mit seinen Büchern, die er gewissenhaft, kritisch und frenetisch annotiert; hier wird in Randspalten befürwortet oder abgelehnt, begeistert aufgenommen, wütend zurückgewiesen oder schelmisch kritisiert; im Fließtext wird heftig unterstrichen oder durchgestrichen, eingekreist, hervorgehoben und markiert.

Ich sehe nichts, wenn Du nicht siehst

Überlegungen zu SEEN UNSEEN SCENE (multimediale Installation, Muzak & Riha 2016)
Tom Waibel, in: Jan-Christoph Tonigs (Hg.), Muzak & Riha. SEEN UNSEEN SCENE, Rheine: Verlag Bentlage 2018.

Die unvorhersehbaren Risiken dieser Arbeit beginnen mit einem partizipativen Prozess, in dem sich Muzak & Riha entschließen, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die abseits der gesicherten Bereiche des Sichtbaren leben, um gemeinsam das Andere der Sichtbarkeit, das Unsichtbare auszuloten. In Auseinandersetzung mit einem Soundtrack, der hörspielerischen Tonspur eines noch nicht sichtbaren Filmes, entwerfen blinde TeilnehmerInnen über 100 Bilder, die als Ganzes und in Teilen, als Texte und Texturen, als Motive und Motivationen zu einem 22 Minuten langen Tast-, Druck-, und Graphikfilm montiert werden, den Muzak & Riha so charakterisieren: 

Der kreiselnde Kurbler

Dziga Vertov bei Dreharbeiten zu "Das Elfte Jahr" (1928)

Diese Stimme spricht leise...

 ... aber sie ist insistent. Interview mit Tom Waibel am 5. Februar 2012 in der Universität Hamburg geführt von der elektronischen Zeitung Schattenblick.

Schattenblick: Die zapatistische Bewegung hat hier zu einem Zeitpunkt, als die Linke am Niedergang war, wie ein Komet eingeschlagen. Auf einmal war da etwas wie eine Hoffnung, auch aufgrund der neuen Idee, die intellektuell ansprechende Botschaft einer revolutionären Bewegung, die als indigen, eingeboren, original verstanden wurde, über elektronische Medien zu transportieren. Das wirkte auf viele Leute wie eine Inspiration, auch wenn das zunächst einmal romantisierend aufgenommen wurde. Für einige Menschen war es jedoch Anlaß, sich näher damit zu beschäftigen. Wie war das bei dir gewesen und was hat sich seitdem verändert?

Von Konsumsklaven und Warencodierungen

Astrid Esslinger: Barcode Slaves, Teheran.

 

Überlegungen zu Astrid Esslingers Strichcodesklaven von Tom Waibel, in Esslinger, Paintings / Cut Outs. Selected Works 2003–2013. Wien: Ambra 2014.

Astrid Esslingers Cut-Out-Serie Strichcodesklaven bedient sich graphischer Strategien zur künstlerischen Analyse globaler Machtverhältnisse. Ihre Aneignung von Logos und Piktogrammen reflektiert geopolitische Identitätskonstruktionen mit künstlerischen Mitteln und setzt die menschliche Gestalt in einen ebenso humorvollen wie kritischen Bezug zu den Codes von transnationalen Finanz- und Handelsgesellschaften. Doch Esslingers spielerische Neuanordnung von bestehenden visuellen Begründungszusammenhängen betrifft nicht nur die bildende Kunst allein, sondern bezieht sich ebenso auf Denkweisen, die sich in (post)kolonialen Blickmustern manifestieren. Um das nachzuweisen, bedarf es eines kleinen historischen Umwegs.

Die wahrhafte Bibliothek

Eine Realsatire von Tom Waibel in: Im Prozess, Magazin der Kunstschule Wien 2019

Vorbemerkung: Der Präsident, der hier das Wort ergreift, hat diese Funktion zwar längst nicht mehr inne, aber der einzig richtige Bibliothekszustand, von dem er spricht, besteht noch immer…

 - Gut, dass Sie gekommen sind, Herr Doktor, ich hatte befürchtet, Sie würden gar nicht auftauchen, weil ich Sie so kurzfristig hergebeten habe, das mögen die wenigsten, wenn sie überraschend wohin bestellt werden, die meisten ertragen das nicht, wenn sie unvorhergesehen wo auftauchen sollen, es gibt kaum welche, die schnell irgendwohin kommen, wenn man sie aus heiterem Himmel darum bittet, drum hatte ich befürchtet, Sie würden nicht kommen, Herr Doktor, da ich doch so kurzfristig danach gefragt habe, knurrte der Präsident.

Was bringt Affekt zum Ausdruck?

Etienne: La Conversación, La Habana
 
„Die Welt existiert nicht jenseits ihres Ausdrucks.“ Gilles Deleuze, Die Falte


 

Lebe wild und gefährlich!

„I went to the woods because I wished to live deliberately, 
to front only the essential facts of life, and see if I could not learn 
what it had to teach, and not, when I came to die, 
discover that I had not lived.“
 Henry David Thoreau: Walden, or Life in the Woods (1854)
 
Einleitung zu den »Recherchen zum Mythos des Primitiven« von Tom Waibel

Atención 16

 
Tom Waibel, Hansel Sato (Hg.)Handlungsmacht, Ausdruck, Affekt
Agenciamiento, Expresión, Afecto

Zum Bedeutungswandel affektiver Aussageformen in Lateinamerika
La resignificación de enunciados afectivos en Latinoamérica

Reif fürs Museum

 Über Entwicklungen und Trends bei den Museen im Zeichen der Vollrechtsfähigkeit und die Frage nach möglichen Kriterien für eine gute Museumspraxis. Eine kritische Analyse von Tom Waibel, im Dossier »Museen in Österreich« in der Wochenzeitung Die Furche.
 
„Österreich ist reif fürs Museum“, verkündete der ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz anlässlich der diesjährigen Langen Nacht der Museen. Was als eingängige Frohbotschaft über einen erneuten Rekordbesuch gedacht war, klingt beim näheren Hinhören zumindest zweideutig: Kann Österreich nun musealisiert werden, oder haben sich dessen Bewohner und Bewohnerinnen endlich fürs Museum qualifiziert?

Kleidercodes

Boliviens Staatspräsident und der spanische König


Eine Erfindung von Tradition in der Begegnung von Bauer und König. Eine Indisziplinierung kolonialer Kleidercodes, ein fadenscheiniges Dispositiv und kaum ein Ausweg aus Machtverhältnissen, von Tom Waibel

Evos Pullover / Chompa Evo

Tradition ist eine Erfindung – wer wüsste das besser, als die Archivar_innen dieser Welt? Die Textilie, um die es hier geht, steht für eine Tradition, die im Verlauf eines einzigen Tages erfunden wurde. Aber wie? 

Occupy!


Occupy! Die aktuellen Kämpfe um die Besetzung des Politischen, mit Beiträgen von Isabell Lorey, Jens Kastner, Tom Waibel und Gerald Raunig

Einen Weg erfinden...

Zugsunglück am Montparnasse
 
Entweder wir finden einen Weg, oder wir erfinden ihn: Alternativen zur kapitalistischen Moderne

In memoriam Tápies

Antoni Tápies, Journal (Galfetti 166), 1968.

Antoni Tápies, einer der großen Exponenten abstrakter Kunst (Informel) starb am 6.2.12 mit 88 Jahren. 

Ein neues Jahr!

Ein neues Jahr! Ein Jahr wie jedes andere war? Nein!! Das darf nicht sein! Damit aus Not und Qual die neue Welt entsteht: Schlag zu, Prolet! (John Heartfiel)

Dieter Schrage...

 
... ist woanders hingezogen. Er war von allen Unbequemen dieser Stadt der Liebenswürdigste. Unermüdlich und doch stets verschmitzt in Bewegung...